Nachhaltiges Wirtschaften und menschenwürdige Arbeit

Wirtschaftswachstum: Was heißt das eigentlich?

Um Wirtschaftswachstum erklären zu können, hilft es, einen Blick auf den Nachhaltigkeitsgedanken in der Agenda 2030 zu werfen, da im SDG 8 Nachhaltigkeit ein zentraler Begriff ist. Laut dem Lexikon der Nachhaltigkeit ist „Nachhaltige Entwicklung“ zu verstehen als „eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“

In der Präambel der Agenda 2030 ist festgeschrieben, dass weltweiter wirtschaftlicher Fortschritt nur im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde umzusetzen ist. Denn nur so scheint es machbar zu sein, die Möglichkeiten künftiger Generationen nicht einzuschränken. Wenn man die drei Bereiche – Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft – um den Bereich Politik erweitert, spricht man vom Nachhaltigkeitsviereck bzw. von den vier Entwicklungsdimensionen.

  • Die wirtschaftliche Entwicklungsdimension bezieht sich auf die Sicherung der Lebens- und Produktionsbedingungen. Der Anspruch ist dabei, sich auf den Gewinn aus langfristigen Erträgen zu konzentrieren, die aus der Nutzung vorhandener Ressourcen erwachsen.
  • Umwelt orientiert sich daran, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben und die Ressourcen nur soweit zu belasten, dass sie auf natürliche Weise nachwachsen können. D.h. also die Ökosysteme zu schützen und natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten.
  • Die soziale Dimension zielt darauf ab, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, die für Menschen lebenswert ist. Es soll soziale Gerechtigkeit , Chancengleichheit und die Integration aller Gesellschaftsgruppen geben.
  • Die politische Dimension bezieht sich auf die politische Stabilität in einem Land, dass die Menschenrechte eingehalten werden und Frieden herrscht.

 

Zwischen diesen Nachhaltigkeitsdimensionen entstehen aber auch Zielkonflikte, die eine nachhaltige Entwicklung gefährden können. Auf dem Schaubild links wird das verdeutlicht

 

Beispielsweise ist die Zielsetzung der ökologischen Verträglichkeit nicht immer mit der Zielsetzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu vereinen. Hier steht Ressourcenschonung im Widerspruch zu Wirtschaftswachstum. Zwischen den Dimensionen Politik und Wirtschaft entsteht ein Zielkonflikt zwischen Ordnungspolitik und Marktkräften. Zwischen den Dimensionen Gesellschaft und Wirtschaft stehen soziale Gerechtigkeit und die Gewinnmaximierung in einem Spannungsverhältnis.

 

Schaubild: Zielkonflikte zwischen den Entwicklungsdimensionen, Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung Abb. 3, S. 41

 

Nachhaltiges Wirtschaften, eine Definition

Durch diese Zielkonflikte wird deutlich, dass die einzelnen Dimensionen ideologisch und dogmatisch besetzt sind. Das betrifft im SDG 8 vor allem die Dimension Wirtschaft. Es gibt viele unterschiedliche Meinungen, wie Wirtschaft funktionieren soll. Nach der neoliberalen Wirtschaftslogik hat Wirtschaft immer mit Wachstum zu tun, denn Wachstum gibt es überall. Zum Beispiel in der Natur: wenn ein Samen eingepflanzt wird und daraus ein Baum entsteht. Auch die Wirtschaft wächst. Alles was an Waren in einem Land jährlich hergestellt und verkauft wird, und alles was Menschen in diesem Land produzieren und wofür sie bezahlt werden, wird am Bruttoinlandsprodukt gemessen. Wenn die Menschen in einem Land viel verdienen und sich dann mehr kaufen können, steigt das Bruttoinlandsprodukt und die Wirtschaft wächst. Wachstum wird also oft mit einer Wohlfahrtssteigerung gleichgesetzt.

Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber – laut Lexikon der Politikwissenschaft - aus zwei Gründen problematisch: Zum einen bedeutet Wachstum nicht unbedingt eine Steigerung der Lebensqualität, weil Umweltbelastungen und soziale Kosten anfallen können. Zum anderen gibt es kein grenzenloses Wachstum, weil die natürlichen Ressourcen begrenzt sind. Das oben genannte Bruttoinlandsprodukt bezieht sich auf die produzierten Güter in einer Gesellschaft. Für die Produktion braucht es Rohstoffe. Diese sind aber irgendwann verbraucht oder wachsen nicht so schnell nach, um den Bedarf zu decken.

Der Club of Rome sprach deshalb bereits 1972 in seiner Studie „Die Grenzen des Wachstums“ davon, dass die Zukunft der Weltwirtschaft gefährdet sei. In der Studie heißt es, dass wenn die derzeitige Zunahme der Weltbevölkerung, die Industrialisierung, die Umweltverschmutzung, die Nahrungsmittelproduktion und die Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, die Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht werden – das war vor 45 Jahren. Bereits damals forderte der Club of Rome, eine nachhaltige Entwicklung, die auch die zukünftigen Generationen berücksichtigt.

Der Leitgedanke des Club of Romes lässt sich deshalb mit „Suffizienz“ beschreiben. Sufizienz bedeutet im ausgewogenen Maß und genügsam zu wirtschaften. Das Konzept der Suffizienz berücksichtigt die natürlichen Grenzen und Ressourcen und bemüht sich um einen möglichst geringen Rohstoffverbrauch. Wirtschaftswachstum kann nach dieser Logik also grundsätzlich weitergehen. Allerdings sollte das nur innerhalb der Tragfähigkeit unseres Planeten passieren. Das Konzept des Nachhaltigen Wirtschaftens bedeutet also, dass die Bedürfnisse der Menschen zwar berücksichtigt werden und deren Versorgung gewährleistet wird. Es bedeutet aber auch, die Natur nicht länger auszubeuten. Deshalb fordern die Unterziele 8.1 bis 8.b dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Ressourceneffizienz in Konsum und Produktion, sowie ein jährliches Wirtschaftswachstum von wenigstens 7% in den am wenigsten entwickelten Ländern aufrechtzuerhalten. Diesen Staaten ein solches Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, bedeutet, dass die Industrieländer ihr Wirtschaftswachstum zurückfahren und gleichzeitig suffizien ter handeln müssten. Dadurch kann nachhaltig gewirtschaftet werden.

 

Menschenwürdige Arbeit, eine Definition

Die Agenda 2030 hat sich das Ziel der Förderung eines dauerhaften, breitenwirksamen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle, gesetzt. Nach DIE ZEIT ist Arbeit dabei grundsätzlich zu verstehen als das „bewusste, zielgerichtete Handeln jedes einzelnen, um seine Existenz zu sichern“ und Bedürfnisse – wie eine Wohnung zu haben, sich zu ernähren oder zum Arzt gehen zu können – zu befriedigen. Oftmals ist aber die Lebensqualität vieler Menschen durch prekäre Arbeitsbedingungen eingeschränkt.

Ein Beispiel: In Bangladesh verdienen TextilarbeiterInnen in einer Gerberei  – laut der Kampagne für saubere Kleidung - nur 9 Cent pro Stunde für die gesundheitsgefährdende Arbeit, Schuhe und Taschen zu gerben. In Kambodscha beträgt der Mindestlohn in der Textilbranche lediglich 69 Euro im Monat. Wenn die ArbeiterInnen von ihrem Lohn kaum leben können, spricht man von prekären Arbeitsbedingungen. Genauso, wenn sich Arbeitnehmer nicht gewerkschaftlich organisieren dürfen oder unbezahlte Überstunden leisten, handelt es sich nicht um menschenwürdige Arbeit. Auch heute werden Menschen zur Arbeit gezwungen. Die Sklaverei wurde zwar offiziell abgeschafft. Trotzdem gibt es weiterhin Formen moderner Sklaverei wie Zwangsarbeit, Zwangsprostitution, häusliche Knechtschaft oder die Versklavung von Kindern zum Beispiel als Kindersoldaten.

 

 

Demonstration der Gewerkschaft National Garment Workers Federation (NGWF) in Dhaka, Foto: Gisela Burckhardt/FEMNET

 

Menschenwürdige Arbeit ist ein Menschenrecht, das die Vereinten Nationen in der Menschenrechtscharta festgeschrieben haben. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Menschenwürdige Arbeit stellt ebenfalls einen Zielkonflikt der oben genannten Nachhaltigkeitsdimensionen dar. Hier steht die soziale Gerechtigkeit im Widerspruch zum angestrebten Wirtschaftswachstum von Unternehmen.

Ein Beispiel: Laut Deutschlandfunk haben sich in Pakistan Werftarbeiter gewerkschaftlich organisiert, um in einem Streik für höhere Löhne, Sicherheit und Gesundheit zu kämpfen. Die Arbeit in den Werften in Pakistan ist sehr gefährlich. Durch Asbest bekommen die ArbeiterInnen Lungenprobleme. Es gibt keine Vorsichtsmaßnahmen oder Schulungen, wie mit diesen gefährlichen Gasen oder Substanzen umgegangen werden muss. Die Schiffseigentümer haben aus Profitinteressen die Gewerkschaft allerdings wieder zerschlagen. Bestechung und Korruption ist in solchen Fällen keine Seltenheit und Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen. (Das Feature findest Du hier)

In sechs von zehn Ländern gibt es keine Tarifverhandlungen und in sieben von zehn Ländern sind Streiks verboten (Mehr Details findest Du in diser ILO Studie). Zu den zehn Ländern mit den meisten Arbeitsrechtsverletzungen zählen Saudi Arabien, Kolumbien und Pakistan. Dabei spielt das politische System kaum eine Rolle. Auch in Demokratien sind gewerkschaftliche Organisationen gefährdet. In Deutschland beispielsweise vernachlässigen die Gewerkschaften oft ZeitarbeiterInnen oder GeringverdienerInnen und kümmern sich nur um das Stammklientiel – ArbeiteriInnen in Traditionsbranchen. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen die CSR-Standards (Corporate Social Responsibility) einführen. D.h. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung als Bestandteil von Nachhaltigem Wirtschaften. Unternehmen sollten umweltverträglich, ethisch und sozial verantwortlich handeln und können zugleich ökonomisch erfolgreich sein.

Nachhaltiges Wirtschaften ist also an viele ander Ziele der Agenda 2030 geknüpft. Es geht um die Umgestaltung von Volkswirtschaften hin zu nachhaltiger Entwicklung, durch verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster (SDG 12) oder saubere und erschwingliche Energie (SDG 7). Armut (SDG 1) und Hunger (SDG 2) werden bekämpft. Wer für menschenwürdige Arbeit einen angemessen Lohn erhält, kann mehr Geld für Lebensmittel ausgeben. Auch kann man sich dadurch gegen Krankheiten absichern (Gesundheitsversorgung - SDG 3) und in Bildung (SDG 4) investieren . Arbeitsplätze mit angemessenen Arbeitsbedingungen und Löhnen führen auch zu einer nachhaltigen Sozialentwicklung, d.h. dass dadurch für jeden eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird und sich niemand durch das Einkommen diskriminiert fühlen muss (Ungleichheiten reduzieren - SDG 10). Die Auswirkungen für die Umwelt, beispielsweise der Versäuerung der Meere (SDG 14), werden durch nachhaltiges Wirtschaften ebenfalls eingedämmt, was dem Klimaschutz (SDG 13) zu Gute kommt.

 

Tags: Agenda 2030, SDG_8

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